Erhard Fiebig

1931      geb. in Goldberg (Niederschlesien)
1946      Ausweisung nach Cottbus
1953      Predigerseminar St. Chrischona
1972      Wechsel zur Ev. Volks- und Schriftenmission
1997      Ruhestand

 Mein Weg in die Schriftenmission

Anlässlich der 45. Jahrestagung 1972 wurde als Nachfolger für Pastor Heinrich Müller Prediger Erhard Fiebig als neuer Leiter der Schriftenmission eingeführt.

In einem kurzen Zeugnis berichtet Bruder Fiebig, wie es dazu gekommen war:

 „Verlass dich auf den HERRN von ganzem Herzen und verlass dich nicht auf deinen Verstand, sondern gedenke an Ihn in allen deinen Wegen, so wird Er dich recht führen.“ (Sprüche 3, 5/6)

Dieses Wort war für meinen Weg in die Schriftenmission entscheidend. Die Freunde und Beter unseres Missionswerkes haben viel um einen Nachfolger für unseren heimgegangenen Bruder Pastor Müller gebetet. Sie haben deshalb auch ein Anrecht zu erfahren, nicht nur dass der HERR erhört hat, sondern auch wie er erhört hat.

Der erste persönliche Kontakt mit Bruder Müller kam für mich ganz unerwartet. Durch einen Bruder vom Vorstand der Ev. Volks- und Schriftenmission erfuhr Bruder Müller meine Adresse. So kam im Januar 1971 ein Brief von ihm, in dem u. a. der Satz stand: „Ich wäre sehr dankbar, wenn der HERR Ihnen klarmacht, ob hier ein Wirkungskreis für Sie ist.“ Ich brachte das Anliegen in der Stille vor den HERRN, bekam aber keine Klarheit. Dementsprechend lautete auch meine Antwort. Ich fügte auch noch hinzu, dass ich mich für diese Aufgabe als nicht befähigt ansehe. Hierauf kam ein telefonischer Anruf von Bruder Müller mit der Bitte: „Besuchen Sie uns doch einmal!“ Dies ist am 1. März 1971 geschehen. Bruder Müller und seine Gattin machten uns (meine Frau war mitgekommen) mit dem Anliegen des Werkes vertraut und berichteten aus der reichen Arbeit. Vor allem machten sie uns deutlich, wie dringend die Nachfolgerfrage sei, da bei Bruder Müller die körperlichen Kräfte nachließen. Er bat mich, doch einmal mit zur Freizeit an die Riviera zu kommen, um die Arbeit besser kennenzulernen und ein wenig mitzuhelfen. Das habe ich auch zugesagt. Doch die entscheidende Frage blieb weiterhin offen. Schriftlich teilte ich Bruder Müller nochmals meine Bedenken mit. So kam der 2. Mai heran. Als ich am Morgen die Losung las, war es obiges Wort. Schlagartig wurde mir bewusst, das ist jetzt Gottes Antwort an dich, du darfst dich nicht länger auf deinen Verstand verlassen. Und auf Grund dieses Wortes hast du kein. Recht, mit solchen Begründungen Nein zu sagen. Falls Bruder Müller bei seiner Anfrage bliebe – ich wäre jetzt bereit.

Als ich gegen Mittag in Lieme anrief, um ihm dies mitzuteilen, war Frau Müller am Apparat und sagte: „Mein Mann ist heute früh heimgegangen!“ Mir wurde erst später bewusst, wie der HERR in der Stunde, in der er seinen treuen Knecht heimholte, er mir auch das Ja zum Ruf schenkte. Nun, wo ich für mich Gottes Willen erkannt hatte, galt: Wenn du jetzt gerufen wirst, darfst du nicht länger Nein sagen. Das wäre Ungehorsam und damit Sünde. So kam die Freizeit heran. Mit bangem Herzen fuhr ich mit, aber unser treuer HERR hat mich beschämt und uns gesegnet. Auch auf der Jahrestagung durfte ich dabei sein. Die Nachfolgerfrage stand im Raum und bewegte viele Herzen. Den Brüdern vom Vorstand konnte ich auf ihre Frage hin sagen: Wenn ich gerufen werde, so komme ich. Wenn aber ein anderer gefunden würde, trete ich zurück.

Nach kurzer Zeit kam der Ruf, und ich war von Gottes Wort gehalten, ihn anzunehmen. Nun ging auch die Frage an das Missionswerk St. Chrischona: Wann werde ich freigegeben? Da dies erst bei der nächsten Versetzung möglich wurde, hat sich unser Umzug ein Jahr verzögert. Am 1. August 1972 sind wir ins Missionshaus in Lieme eingezogen.

Danken möchten wir allen, die uns seitdem so treu in ihre Fürbitte eingeschlossen haben. Wir haben es verspürt.

Darf ich Sie als Freunde und Mitarbeiter unserer Schriftenmission herzlich bitten, auch weiterhin dem HERRN in diesem Werk zu dienen. Dies wäre sicher im Sinne von Bruder Müller. Und den HERRN bitte ich, dass er Sie über solcher Treue weiterhin reichlich segnen möchte.

So stehe ich nun an diesem Platz. Ich war innerlich gehalten und konnte nicht anders. Der HERR wird mir helfen! Über mein bisheriges Leben kann ich die Strophe des Liederdichters Fritz Woike setzen:

Du hast mein Leben so reich gemacht,
dem heißen Sehnen Erfüllung gebracht.
All meine Sünde decktest du zu.
An deinem Herzen fand ich die Ruh.

Im Kreis Goldberg/Niederschlesien wurde ich 1931 geboren. Meine Eltern hatten dort eine kleine Landwirtschaft. Durch das Zeugnis meiner Mutter und unter der Verkündigung eines Predigers durfte ich schon im Konfirmandenalter zum lebendigen Glauben kommen.

Dass Jesus wiederkommt, hat mich so beeindruckt, dass ich doch auch sein Eigentum sein wollte. So übergab ich mein Leben ihm und erhielt die frohmachende Gewissheit, dass er mich angenommen hat.

Beim Einmarsch der russischen Soldaten wurde mein Vater erschossen. Wir selbst flüchteten, kamen aber nach Kriegsende wieder in unsere Heimat zurück, bis wir im November 1946 ausgewiesen wurden. Man brachte uns nach Cottbus in der DDR. Aber auch das war des HERRN Führung, denn dort fanden wir bald Anschluss an die Gemeinschaft.

Auf einer Jugendfreizeit im Jahre 1951 traf mich der Ruf meines HERRN in den direkten Dienst. Wir sprachen über das Leben des Petrus, und als zu ihm gesagt wurde: Ich will dich zum Menschenfischer machen, wurde mir klar, das gilt auch dir. (Auf derselben Freizeit kam meine spätere Frau zum Glauben.) Um dem Ruf zu folgen, ging ich 1953 über Westberlin auf das Predigerseminar St. Chrischona. Nach der vierjährigen Ausbildung wurde ich ins Hessenland ausgesandt, wo ich 15 Jahre in der Gemeinschaftsarbeit, zuletzt in Lich, gestanden habe.

So reich und so erfüllt habe ich mir mein Leben nicht vorstellen können, als ich es dem HERRN übergab. Er hat alles wohlgemacht.

Missionsleiter Erhard Fiebig

 

(geringfügig überarbeitet im Oktober 2016)